SSBL Jubiläums-Beilage 2021
Strategieprozess | Wie die Stiftung für Schwerbehinderte Luzern SSBL die Zukunft plant. Die Strategie richtet sich nach Bedürfnissen, die sich stetig verändern Die SSBL stellt im Rahmen ihres Strategieprozesses die Weichen für die Zukunft: Klares Ziel ist, mit be- dürfnisgerechten Angeboten den Alltag von Menschen mit Beeinträchtigung stetig zu verbessern. Pirmin Bossart «Wir wollen für Menschen mit Beein- trächtigung noch optimalere Rah- menbedingungen schaffen für die Zukunft. Das ist das oberste Ziel un- seres Strategieprozesses», sagt Est her Schönberger, Stiftungsratspräsi- dentin der SSBL. Dabei wird nicht einfach von oben entschieden, wel- che Verbesserungen für eine grösse- re Teilhabe und verbesserte Selbst- bestimmung angestrebt werden sollen. Neben Fachexpertinnen und Fachexperten werden Menschen mit Beeinträchtigung selber in die Be- dürfnisanalyse miteinbezogen. «Es sind ihre Bedürfnisse, die im Mittel- punkt stehen», hält die Stiftungsrats- präsidentin fest. Inklusion, Selbstbestimmung und grösstmögliche Autonomie für die be- treuungsbedürftigen Personen sind auch der Tenor im Leitbild «Leben mit Behinderungen» des Kantons Luzern (2019) sowie im Gesetz über soziale Einrichtungen (SEG), das seit 2020 in Kraft ist. Das neue Leitbild und das neue Gesetz veranlassten die SSBL, ihren Strategieprozess genau auf diese Themen auszurichten. Er soll dazu führen, mit konkreten Massnah- men die Angebote bedürfnisgerecht weiterzuformen und auch neue Pro- jekte zugunsten von Menschen mit Beeinträchtigung umzusetzen. «Hotel mit Betreuung» In einer ersten Phase wurde auf brei- ter Ebene innerhalb der SSBL und bei weiteren sozialen Organisationen, un- ter anderem auch mit Vertreterinnen und Vertretern von Behindertenorga- nisationen, eine Expertenbefragung durchgeführt. Daraus wurden erste Ideen entwickelt und für eine Umset- zung selektioniert. «Der Kanton Lu- zern hat Gelder für Pilotprojekte re- serviert, und wir werden die Anträge bald einreichen können», sagt Pius Bernet, Geschäftsführer der SSBL. Bis Ende 2022 soll die Umset- zungsplanung für einige dieser Leuchtturmprojekte abgeschlossen und auch deren Finanzierung gesi- chert sein, sodass ab 2023 mit der konkreten Umsetzung begonnen werden kann. «Wir brauchen jeweils eine Vorlaufzeit von bis zu sechs Mo- naten, um die Ressourcen bereitzu- stellen und die Mitarbeitenden in die Umsetzung einzubeziehen.» Welche Leuchtturmprojekte sind bis jetzt angedacht? Unter dem Ar- beitstitel «Hotel mit Betreuungsange- bot» möchte die SSBL ermöglichen, dass in Zukunft Menschen mit Beein- trächtigungen auch mal ihr ange- stammtes Umfeld wechseln und ei- nen Tapetenwechsel machen, neue Angebote erleben und sich mit ande- ren Menschen austauschen können. Die Idee ist, dass sie einen Tag, ein Wochenende oder auch eine Woche lang beispielsweise in Rathausen oder an einem anderen stationären Ort ver- bringen und dort auch ein strukturier- tes Tagesangebot erhalten. «Solche Entlastungstage oder Entlastungs wochen schätzen insbesondere auch die Angehörigen. Mit diesemAngebot können sie sicher sein, dass ihre beein- trächtigten Kinder, die Jugendlichen und Erwachsenen am neuen Ort um- fassend, das heisst soweit gewünscht und benötigt, betreut werden», sagt Schönberger. Gleichzeitig sollen wei- tere Anstrengungen unternommen werden, die Inklusion zu fördern. «Wir wollen Möglichkeiten schaffen, Men- schen mit und ohne Beeinträchtigung stärker zusammenzubringen.» Integration in den Arbeitsmarkt In einem weiteren Projekt möchte die SSBL die Integration ihrer Klientinnen und Klienten in den ersten Arbeits- markt fördern. Schönberger denkt an die kreativen Fähigkeiten von beein- trächtigten Menschen, die für gestalte- rische Produkte fruchtbar gemacht werden könnten. Für jene, die physisch stark seien, kämenbeispielsweise auch einfache Logistikarbeiten in einem Grossunternehmen in Frage. «Das alles ist machbar. Unsere Klientinnen und Klienten brauchen einfach eine stärke- re Unterstützung und Begleitung», sagt Pius Bernet. Wenn diese gewähr- leistet sei, könnten sich auchMenschen mit starker Beeinträchtigung imersten Arbeitsmarkt einbringen und in betreu- ter Selbstständigkeit etwas erreichen, «was ihnen ein noch weiter gesteiger- tes Selbstwertgefühl gibt». Die Strategie des Kantons, Men- schen mit Beeinträchtigung mit Assis- tenzen ein betreutes externes oder as- sistiertes Wohnen und Arbeiten zu ermöglichen, wird von der SSBL voll unterstützt. «Um eine möglichst hohe Autonomie zu erreichen, müssen un- sere Klientinnen und Klienten erst dazu befähigt werden», sagt Bernet. «Viele haben starke kognitive und körperliche Einschränkungen. Das er- fordert ein stufengerechtes und schrittweises Vorangehen.» Darauf aufbauend könnten dann jene, die das auch wollten, beispielsweise ein assis- tiertes Wohnen in Betracht ziehen. Gerade die jüngsten Bemühun- gen im Bildungsbereich zeigen, wie die verschiedenen sozialen Organisa- tionen in Zukunft noch stärker ko- operieren, Wissen austauschen und durchlässiger werden können. Ein Beispiel: Ab 2022 wird eine web basierte Plattform eingerichtet, auf der alle sozialen Organisationen ihre 2020 2021 2022 2023 2024 2025 Umsetzung der laufenden Strategie Grundlagen: - Ist-Situation - SWOT Eigentümerstrategie Kanton Eigentümerstrategie Kanton Strategische Stossrichtung und Entwicklung Planung der strategischen Umsetzung Umsetzung der Strategie 2022–2026 STRATEGIEPROZESS SSBL Kurse und sozialpädagogischen The- men aufschalten können, damit sie auch Mitarbeitenden anderer Organi- sationen zugutekommen. Schönber- ger: «Das führt zu einer gegenseitigen Befruchtung unter Mitarbeitenden, fördert die Kooperation der verschie- denen stationären und auch ambulan- tenOrganisationen und unterstützt so die Bedürfnisse der Menschen mit Be- einträchtigung.» Umfassende Bedürfnisstudie Im Rahmen der Expertengespräche wurde klar, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen noch expliziter einbezogen werden sollten, um den Strategieprozess möglichst umfas- send und für alle Betroffenen nutz- bringend zu machen. «Wir wollten aber nicht nur die eigenen Klienten und Klientinnen befragen, sondern auch jene Menschen, die nicht bei uns sind, aber für die wir vielleicht in Zu- kunft auch Dienstleistungen erbrin- gen können», sagt Bernet. Auf Initia- tive der SSBL fand sich eine Interessengemeinschaft zusammen, die 23 soziale Institutionen, Eltern- und Fachorganisationen sowie den Kanton Luzern umfasst. Sie hat eine Bedürfnisstudie initiiert, die von der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit durchgeführt wird. Die datenbasierte Befragung soll von den Betroffenen her aufzeigen, wie eine bedürfnisgerechte Unter- stützung der Menschen mit Beein- trächtigung in Zukunft aussehen muss. «Diese Bedürfnisstudie ist ein wichtiger Pfeiler unseres Strategie- prozesses», sagt Schönberger. «Sie wird darlegen, ob unsere Stossrich- tungen stimmen und wo und wie wir allenfalls weiter optimieren müssen.» Die Resultate der Studie werden im Herbst 2022 vorliegen. 15 Zukunftsaussichten der SSBL «Wir wollen Möglichkeiten schaffen, Menschen mit und ohne Beeinträchtigung stärker zusammenzubringen.» Stiftungsratspräsidentin Esther Schönberger beim Klosterplatz, einem der zentralen Treffpunkte in Rathausen. Bild: Corinne Glanzmann Grosse Bedeutung für regionale Wirtschaft Das Institut für Betriebs- und Regionalökonomie IBR der Hochschule Luzern hat eine Studie über die re- gionalwirtschaftliche Be- deutung der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern SSBL erstellt. Aufgrund der stark auf den Kanton Luzern ausgerichteten Wertschöp- fungskette übersteigt die re- gionalwirtschaftliche Brutto wertschöpfung von rund 62 Millionen Franken die von der öffentliche Hand finanzierten Gesamtkosten der SSBL um rund 23 Prozent. Die SSBL gehört, bezogen auf den Personalbestand von 860 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zu den vierzig grössten Unternehmen der Zentralschweiz.
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