z mitts drin Nr. 04/2021
Eine Gratwanderung zwischen Sicherheit und Freiheit Zu Besuch bei der Intensivwohngruppe Rigi 1 in Rathausen. Es ist kurz vor Weihnachten. Wir befinden uns mitten in der zweiten Welle der Corona-Pandemie. Die Schutz- und Hygienemassnahmen sind streng: Maskenpflicht, Besuche nur in dafür bereitgestellten Besucherräumen, viele Mitarbeitende im Homeoffice, Café geschlossen, das ganze Areal für jeglichen Durchgangs- verkehr – auch Velofahrer/-innen und Wanderer/-innen – gesperrt. Und trotzdem muss es weitergehen. Die Herausforderungen in der Begleitung und Betreuung sind in dieser Zeit grösser als sonst. Wir sind auf dem Weg ins moderne Wohnhaus mit dem schönen Namen Rigi. Dort leben Bewohnerin- nen und Bewohner in so genannten Intensivwohn- gruppen. Das Haus steht seit 2017 ganz am Ende des Areals mit freiem Blick auf den Pilatus. Auffällig von aussen sind einerseits die tolle Architektur, an- dererseits auch die hohen Zäune im Garten und an jedem Balkon im ersten Stock. Weshalb dies wohl so ist? Die beiden aufgestellten Wohngruppenleitenden Vera Jund und Markus Emmenegger klären diese Frage gleich zu Beginn unseres Gesprächs: «In der Betreuung und Begleitung in der Intensivwohn- gruppe befinden wir uns auf einer schwierigen Gratwanderung zwischen Sicherheit und Freiheit. Der Zaun schränkt nicht ein, im Gegenteil, er gibt den Bewohnerinnen und Bewohnern einen Frei- raum, den sie sonst nicht hätten. Sie können auf dem Balkon sitzen und die Berge geniessen oder im Garten die Schaukel nutzen. Eine grosse Frei- heit, die sehr geschätzt wird.» Vera und Markus empfangen uns in einem hellen Sitzungszimmer direkt neben dem Eingang. Wir würden gerne die freundlichen Gesichter besser sehen, aber mit der Maskenpflicht ist das aktuell nicht möglich. Trotzdem merkt man schnell, dass die beiden ihren Job mit viel Leidenschaft und En- gagement ausüben. In der Wohngruppe Rigi 1A und Rigi 1B wohnen drei Klientinnen und sieben Klienten. Alle Klien- ten/-innen sind kognitiv beeinträchtigt. Ebenfalls ist bei den meisten eine so genannte Autismus- Spektrum-Störung zu beobachten. Das bedeutet, dass zwischenmenschliche Beziehungen Vertrauen, Sicherheit und Verbindlichkeit erfordern. Persön- liche Bedürfnisse wie Essen und Trinken stehen klar im Vordergrund. Da zudem einige der Klien- ten/-innen über keine verbale Sprache verfügen, werden unterstützende Kommunikationshilfsmittel angewendet, damit Bedürfnisse und Wünsche kommuniziert werden können. Die Begleitung und Betreuung findet immer eins zu eins statt, allenfalls und abhängig von der Tagesform braucht es bei einigen Bewohnerinnen und Bewohnern auch mehr als eine Betreuungsperson. Aber nun zu den beiden Bewohnern Herbert* und Matthias**. Wie gestaltet sich ihr Lebensraum in Rathausen? «Der Zaun schränkt nicht ein, im Gegenteil, er gibt Freiraum.» * Die Vertretung von Herbert hat der Veröffentlichung der im Artikel erwähnten Informationen und der Fotos zugestimmt. ** Name aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert 8 FOKUS LEBENSRAUM
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